Auf Cthulhus Spur

Gepflegtes Rollenspiel rund um den kriechenden Wahnsinn

予想 (Yosō) – Hoffnung

Ich kann mich nicht ausreichend konzentrieren, um allein ob Kraft meiner Vorstellungskraft zurück nach Ulthar zu reisen. Ich bin zu aufgewühlt. Obwohl ich schon einige hundert Meter zwischen mich und das blaue Tor nach Drinen gebracht habe, dringen die Musik und die Gerüche der Stadt noch immer zu mir vor. Ich laufe einfach los in Richtung Hatheg. Es ist nicht schwer, der breiten Handelsroute quer durch die Wüste zu folgen. Ich wandere den Rest der Nacht und die Hälfte des nächsten Tages, bis ich Hatheg erreiche. Es ist Markttag.

Ich sehe den Soldaten, der mir vor zwei Tagen die Waffen abgenommen hatte. Er hält seinen Wachdienst vor dem Tor des Hauptgebäudes. Ich schlendere ein wenig über den Markt und schaue mir die Waren an. Ich bin nicht auf der Suche nach etwas Bestimmten. Am Stand eines Teehändlers harre ich etwas länger aus. Die Sprache des Tees ist eine universelle und eine, die auch Missverständnisse aus dem Weg räumen kann. Ich kaufe dem Händler etwas von seinem Tee ab, lasse diesen in eine hübsche Dose abfüllen, die der Händler mir ebenfalls verkauft gehe auf den Eingang des Haupthauses zu. Der Soldat nimmt seine Pflicht sehr ernst und versperrt mir den Weg, doch es ist gar nicht meine Absicht, das Gebäude, das er hier bewacht, zu betreten. Ich verbeuge mich vor ihm und wohl wissend, dass er meine Sprache nicht versteht, jedoch darauf vertrauend, dass Gestik, Mimik und Tonfall mein Anliegen unterstreichen, erbitte ich seine Gunst, mein Geschenk als Zeichen der Versöhnung anzunehmen.

Der Mann erkennt meinen Willen und zeigt mir sein Wohlwollen, indem er mich zum Tee einlädt. Er bringt eine haarige, braune Frucht mit sich, die er mit einem Hammer aufschlägt. Unter der harten Schale kommt rosa-violettes Fruchtfleisch zum Vorschein, das er mir anbietet. Es schmeckt interessant, fruchtig-scharf mit einer Note von etwas, das an Kokos erinnert. Mehr mit Händen und Füßen denn mit Worten bringen wir ein etwas umständliches Gespräch zustande. Es gelingt uns sogar, unsere Namen auszutauschen. Der Mann heißt Turak.

In den späten Nachmittagsstunden wird mir das Vergnügen zuteil, das Waffentraining der Stadtwache beobachten zu dürfen. Die Soldaten üben mit dem Schwert und dem Speer. Ihre Technik ist beeindruckend und gnadenlos. Mit diesen Männern würde ich mich nur ungern in einen ernsthaften Kampf verwickeln lassen. Ich verweile noch einige Zeit in Hatheg, bis sich die Straßen leeren und bis auf vereinzelt an Lagerfeuern wartende oder durch die Straßen patrouilliere Stadtwachen alle Bewohner in ihren Häusern verschwunden sind. Es dürfte etwa um die Mitternachtsstunde sein, als ich mich weiter in Richtung Ulthar auf den Weg mache.

Kurz vor der Morgendämmerung erreichen ich den Fluss Skai und biege zunächst zum Verwunschenen Wald ab, um nachzusehen, ob eine Nachricht von meinen Freunden eingetroffen ist. Dem ist nicht so. Ich wandere nun zurück durch den Wald und über die große Brücke über den Fluss Skai zurück nach Ulthar. Es ist inzwischen später Vormittag.

Ich schaue auf der Baustelle meines Anwesens nach dem Rechten. Die Arbeiter sind fleissig und guten Mutes. Alles geht planmäßig langsam voran. Ich beschließe den Arbeitern etwas Gutes zu tun und lasse beim Gastwirt eine Mahlzeit für die Männer zubereiten, die ich dann auf die Baustelle bringe. Die Arbeiter sind dankbar für die Stärkung und die Pause.

“Hallo Sanjūrō!” höre ich eine durchaus vertraute Stimme nach mir rufen. Es ist Henri-san. Er ist nicht allein gekommen. Der Lord ist bei ihm und zu meiner Überraschung werden sie auch von Dr. Nidelven begleitet. Es irritiert mich etwas, dass meine Therapeutin und die Verlobte meines besten Freundes mich hier besucht.
“Was verschafft mir diese Ehre, Dr. Nidelven”, frage ich, nachdem ich Henri-san und den Lord begrüßt habe, “wünschen Sie meine Therapie hier in Ulthar fortzusetzen?”
Sie winkt ab. Sie sei im Urlaub und wollte eigentlich in Norwegen sein, aber widrige Witterungsumstände hätten das verhindert.
Ich frage meine Gäste, ob sie mit mir und den Arbeitern essen möchten. Henri-san ist sofort begeistert davon, auch der Lord und Dr. Nidelven folgen meiner Einladung.
Sie haben Neuigkeiten für mich, die sie auch in einem Schreiben in der Traumlandtruhe hinterlegt haben, offenbar erst nachdem ich selbst in den frühen Morgenstunden dort war. Nun können sie mir auch persönlich mitteilen, was sie herausgefunden haben. Herni-san erzählt, dass er zweierlei in Erfahrung bringen konnte. Zum einen war in den Büchern, die er für seine Recherchen herangezogen hatte, die Rede von einem gewissen “König in Gelb”, der gerne Geschenke mache, darunter auch ein Buch, mit dem man sich nahezu unendlich durch den Raum portieren könne.
“Das kein Weg, den ich einschlagen kann”, erkläre ich. Der mir bestimmte Weg führt mich in die Schatten der Nacht, nicht in die Wüste eines Planeten, auf dem die Sonnen niemals untergehen, “welches ist andere Möglichkeit?”
Henri-san erzählt, dass er von einem Zauber gelesen habe, mit dem man sich über große Distanzen schnell durch den Raum bewegen kann. Sie sind hier, um mehr über diesen Zauber in Erfahrung zu bringen und setzen nach dem Essen ihre Reise in die Bibliothek in Ulthar fort, um dort zu recherchieren. Ich bleibe noch eine Weile auf der Baustelle.

Am frühen Abend treffe ich meine Freunde in der Gastwirtschaft. Ihre Recherchen waren erfolgreich. Es gibt einen Zauber mit dem Namen “Mächtiges Portal”. Um diesen Zauber zu erlernen, muss man ein Wesen beschwören, das diesen Zauber beherrscht und es bitten, dieses Wissen weiter zu geben. In einem der Bücher war von einem gewissen “Gladamon” die Rede, aber es gibt auch andere Kreaturen, die dieser Magie mächtig sind.
Ich fange an zu überlegen, wie ich mich dieser bedienen kann. Ich kann mich nur selbst aus der Bibliothek befreien, weil nur ich weiß, wo ich dort bin.
Der Lord meint sich zu erinnern, dass dieser Dr. Krebs eine Magie benutzt hat, die dem beschriebenen Zauber sehr ähnlich ist.
“Dann fragen wir ihn doch einfach”, schlägt Henri-san vor. Der Lord ist der Meinung, dass das keine so gute Idee sei. Die beiden diskutieren noch eine Weile, während ich über Henri-sans Vorschlag genauer nachdenke. Ich kenne doch jemanden, der seinerseits Dr. Krebs offenbar recht gut kennt.
“Wartet mal“, unterbreche ich die hitzige Diskussion meiner Freunde, “ich könnte Dr. Krebs vielleicht wirklich fragen.”
Erwartungsvolle Blicke richten sich auf mich.
“Ich habe euch doch von meinem Wiedersehen mit Bernhard erzählt. Er kennt diesen Dr. Krebs wohl ziemlich gut. Vielleicht kann er mir helfen, Kontakt aufzunehmen.”
Einen Versuch wäre es wert, bestätigen auch meine Freunde.
Dr. Nidelven drückt mir unauffällig ein kleines Amulett in die Hand.
“Sie werden es vielleicht noch brauchen”, sagt sie.
Ein angenehmes, erdendes Gefühl geht von diesem Kleinod aus. Es ist ein Älteres Zeichen.
Für meine Freunde ist nun langsam die Zeit des Erwachens gekommen. Ihre Gestalten verblassen und lösen sich vor meinen Augen langsam auf.
“Tschüss, Sanjūrō”, winkt Henri-san mir zum Abschied zu. Dann sind sie fort. Heute fühle ich mich nicht so verlassen, wie an früheren Abenden hier. Es gibt eine mögliche Lösung, die vielleicht in greifbarer Nähe liegt. Diese Erkenntnis und das Ältere Zeichen in meiner Hand verleihen mir neue Zuversicht.