Auf Cthulhus Spur

Gepflegtes Rollenspiel rund um den kriechenden Wahnsinn

対話 (Taiwa) – Gespräche

Die Therapie verläuft gut. David-san ist guter Dinge, dass ich bald wieder auf den Beinen sein werde. Meinen verwirrten Zustand erklärt er mit einem Kulturschock. Er fragt mich bei dieser Gelegenheit, was mich bewogen hatte, Japan zu verlassen. Ich berichte ihm, dass ich nach der Beendigung meiner militärischen Laufbahn in eine Art Loch gefallen war.

Ich verspürte schon bald wieder den Drang, etwas Sinnvolles zu machen. Yukio besorgte mir einen Job als Dozent in seinem Lehrstuhl. Er hielt mich für kompetent genug, seinen Studenten die Geschichte der Sengoku-Zeit nahe zu bringen. Es scheiterte auch nicht an meinem Fachwissen zu dieser historischen Epoche. Vielmehr merkte ich, dass ich zum Lehrer nur bedingt tauge. Reine Wissensvermittlung ist nicht das Problem, doch anhand von Trimesterarbeiten und Klausuren das vermittelte Wissen zu überprüfen und zu bewerten ist einfach nicht meine Sache. Und so hängte ich das Lehramt nach zwei Trimestern an den Nagel. Als mir Mycroft und seine Freunde über den Weg gelaufen sind, war ich noch immer auf der Suche nach einer Aufgabe. Die Einladung nach England schien mir ein guter Ansatz. Vielleicht würde ich hier die Inspiration finden, die ich brauchte.

Ich berichte David-san von meiner Idee, mich in England nieder zu lassen. Wieder fragt er nach meinen Gründen und ich antworte ihm, dass mir England ein Gefühl von Heimat – nein vielmehr ein Gefühl von „zu Hause“ – vermittelt, das Japan mir nicht geben konnte. Sicher, ich habe dort meine Wurzeln und das kann und will ich auch nicht verleugnen, doch Japan hat in den letzten fünfzig Jahren einen enormen Wandel erfahren, der nicht nur mich durcheinander bringt. Unser Gesellschaftssystem wurde komplett auf den Kopf gestellt, als Meiji-Tennō im Jahre 1868 die Herrschaft des Kaisers als oberste japanische Instanz nach 8 Jahrhunderten wiederherstellte und den Shogunen und Daimyos ihre Herrschaftsansprüche aberkannte. Die Ankunft der Eisenbahn und die Industrialisierung verändern das Gesicht unserer Städte. Unsere Bevölkerung hat sich innerhalb der letzten dreißig Jahre verdoppelt. Das ist sicherlich gut für die Entwicklung unserer Nation, doch ich brauche etwas anderes – etwas solides, das Bestand hat – und England scheint dieses „Etwas“ zu haben. Vielleicht aber, gebe ich zu Bedenken, bin ich auch vor etwas auf der Flucht, das ich jetzt noch nicht erkennen kann.

David-san lauscht meinen Ausführungen, schreibt dabei ein paar Notizen in sein Buch und verkündet schließlich, dass er meine Idee, in England sesshaft zu werden, gutheißt. Er motiviert mich, dieses Vorhaben anzugehen und in die Tat umzusetzen. Ich solle nur nicht meine Therapie-Termine versäumen, sagt er.