Auf Cthulhus Spur

Gepflegtes Rollenspiel rund um den kriechenden Wahnsinn

指南 (Shiman) – Unterweisungen

Der Lord wirkt niedergeschlagen. Schweigsam und mit sorgenvollem Gesicht sitzt er am Frühstückstisch. Es ist ein überaus bedrückender Anblick. Nachdem ich mein Frühstück beendet habe, stehe ich wortlos auf und hole zwei Übungsschwerter aus meinem Zimmer. Ich gehe zurück ins Esszimmer, wo der Lord noch immer lethargisch in Selbstmitleid versinkend verweilt. Mit den Worten “Du kommst jetzt mit nach draußen” drücke ich ihm eines der beiden Bokutō auf die Brust. Zunächst überrascht, dann dankbar für die Ablenkung von seinen düsteren Gedanken, ergreift er zögerlich das Holzschwert und folgt mir in den Innenhof.

Bevor wir uns den eigentlichen Übungen widmen, zeige und erläutere ich ihm die rituelle Begrüßung in der traditionellen japanischen Kampfkunst. Die Kampfkunst, erkläre ich, wird im alten Japan und mancherorts auch heute noch als Kami, als Shintō-Gottheit, verehrt, und so wird auch die Trainingseinheit auf die gleiche Art eröffnet, wie ein Gebet, das in einem Schrein an eine Gottheit gerichtet wird: Niederknien, Verbeugen und das Klatschen, um die Aufmerksamkeit des Kami auf sich zu ziehen. Dann beginnen wir mit den Grundschlägen, dem rollenden Schlag, dem Makiuchi und dem seitlich ausgeführten Yokomen. Ich zeige ihm zunächst die Technik, lasse sie ihn vorführen und korrigiere dabei seine Haltung, Fußstellung und Handposition, und übe und erörtere mit ihm gemeinsam die Funktion des Kiai. Es funktioniert recht gut. Tatsächlich erfüllt es mich in gewisser Weise, jemanden in der Kampfkunst zu unterweisen. Vielleicht sollte ich in England eine Kampfkunstschule eröffnen, wenn ich irgendwann wieder mehr Zeit für weltliche Dinge habe, überlege ich. Auch der Lord macht sichtbare Fortschritte, beweist Ausdauer und Ergeiz und schon um die Mittagszeit beherrscht er die Grundschläge bereits im Wesentlichen.

Am Nachmittag will ich ihm die Grundpositionen näher bringen, doch der Lord scheint überfordert. Vielleicht ist es auch die Vielzahl der japanischen Begriffe, die ich bei meinen Unterweisungen verwende, die ihn verwirrt. Es ist etwa drei Uhr am Nachmittag, als er mich bittet, die Übungen für heute zu beenden.

Gegen 17:00 kehren Mycroft und Senchō aus Paris zurück. Sie fahren mit einem Lastwagen vor und laden die Taucherausrüstung aus.

Beim Tee kann der Lord sich nicht zurückhalten. Das Buch Tsathoggua beschäftigt ihn trotz der gelungenen Ablenkung am heutigen Tag und er verrät uns unglaubliche Details aus dem Buch, mit dessen Lektüre er sich gerade befasst. Tsathoggua, so sagt er, lebt im Erdkern. Er ist dort in einer Druse verborgenen. Vor 1,5 Millionen Jahren war er von der Erdoberfläche verbannt worden und im Reich K’n-yan seien Diener Tsathogguas unterwegs, die den Menschen den Verstand raubten und sie in den Wahnsinn trieben. Während er das Gelesene schildert, formt mein Geist unweigerlich Bilder und versucht, zu verstehen, doch das ist unmöglich. “Ich wünschte, du hättest das jetzt nicht erzählt, Dono”, sage ich mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton, “ich weiß nicht, wie diese Bilder jetzt jemals wieder aus meinem Kopf kriegen soll.”