Auf Cthulhus Spur

Gepflegtes Rollenspiel rund um den kriechenden Wahnsinn

条約 (Jōyaku) – Vereinbarung

Nachdem Henri-san, der Lord und Dr. Nidelven in die Wachwelt entglitten sind, gehe ich auf die Straße. Der Besuch meiner Freunde hat mir gut getan. In den Traumlanden bricht der Abend an. Die Zeit der Katzen beginnt.

Ich schaue mich um, in der Hoffnung, vielleicht Bernhard zu sehen, aber der auffällige blaue Anzug ist nirgends zu entdecken. Vielleicht finde ich ihn in Hatheg, überlege ich und mache mich auf den Weg nach Westen. Bis zur großen Brücke über den Skai laufe ich, dann versuche ich meinen Weg per Gedanken- und Vorstellungskraft zu verkürzen. Das gelingt mir heute sehr gut. Das Gefühl, nun doch bald nach Hause kommen zu können, verleiht mir Stabilität.

In Hatheg verbringe ich den Abend und die Nacht an den Lagerfeuern der Stadtwachen. Ich fühle mich wohl an diesem Ort und ich möchte mehr über seine Menschen und ihre Lebensweise erfahren. Ich halte mich eher abseits, beobachte und lausche den Gesprächen, von denen ich jedoch nichts verstehe.

Ich frage mich, wie lange ich jetzt eigentlich schon in den Traumlanden bin. Ich kann es nicht mehr genau sagen. Ich habe irgendwann aufgehört, die Tage zu zählen. Es könnten Wochen, vielleicht sogar schon ein ganzer Monat, vergangen sein. Es war der erste März 1921, als ich mit Mycroft zusammen in dieses unmögliche Abenteuer aufgebrochen bin. Welches Datum man heute in der Wachwelt zählt, weiß ich nicht. Ich habe auch nicht daran gedacht, meine Freunde danach zu fragen.

Bei Anbruch der Dämmerung sammelt sich die Garde zur morgendlichen Ertüchtigung. Turak trainiert heute die Truppe. Ich beobachte die Übungen eine Weile.

Musik dringt an mein Ohr. Flötenspiel. Ein paar Musikanten ziehen durch die Stadt in Richtung Drinen, gefolgt von einem kleinen Tross tanzender Menschen in bunten Kleidern. Durch Zufall entdecke ich auch Bernhard unter den Tanzenden. Ich gehe auf ihn zu, aber er bemerkt mich zunächst nicht.

“Berni-san”, rufe ich. Er dreht sich zu mir um. Seine Miene erhellt sich, als er mich sieht.
“Sanjūrō!”, ruft er erfreut und läuft mir entgegen.
“Du wirkst sehr entspannt heute”, stellt er fest, “gute Neuigkeiten?”
“Ja, möglicherweise”, antworte ich.
Ich erzähle ihm von den Recherchen meiner Freunde, von dem Zauber “Mächtiges Portal” und der Vermutung, dass Dr. Krebs dieser Kunst fähig ist.
“Willst du dich in die Behandlung von Dr. Krebs begeben?”, fragt Bernhard.
“Nein, das nicht, aber ich würde mich gerne einmal mit ihm unterhalten.”
“Ich kann ihn sicherlich fragen, ob er dazu bereit ist.” Bernhard schließt seine Augen.
“Ich danke dir, Bernhard.”
Ich fühle mich einerseits erleichtert. Andererseits weiß ich, dass dieser Mi-Go, falls er überhaupt bereit ist, mir zu helfen, das sicherlich nicht ohne Gegenleistung tun wird, aber egal welchen Weg ich wähle, ich werde so oder so einen hohen Preis zahlen müssen, wenn ich zurück nach Hause will.
“Danke mir nicht zu früh.”
Bernhards Tonfall ist plötzlich ungewöhnlich kalt. Sein Blick ist härter und kälter, als ich es kenne, selbst seine Haltung hat sich verändert. Es ist, als hätte er eine komplett andere Persönlichkeit angenommen.
“Ich kann Euch helfen, aber dafür müsst ihr auch etwas für mich tun.”
Dr. Krebs spricht zu mir. Er nutzt Bernhards Astralleib, um mit mir zu kommunizieren. Ich bin beeindruckt, zugleich aber auch erschüttert ob der Gewahrwerdung einer solch großen Macht. Dennoch, ich habe mich entschieden, zu verhandeln.
“Davon bin ich ausgegangen”, antworte ich ruhig, “was ist Euer Angebot?”
“Ich kann Euch tatsächlich diese Magie zur Verfügung stellen, die Ihr sucht, gebunden in einem magischen Kristall. Mit diesem Kristall habt ihr die Möglichkeit, Euch einmalig an einen beliebigen Punkt im Universum zu teleportieren”, erklärt er.
“Das ist das, was Ihr für mich tun könnt”, sage ich, “was möchtet Ihr, das ich im Gegenzug für Euch tue?”
“Ich werde auf Euch zukommen”, meint Dr. Krebs.
“Auf eine solch vage Vereinbarung lasse ich mich nicht ein”, widerspreche ich, “Ihr müsst schon etwas konkreter werden.”
Ich bemerke ein widerwilliges Zucken in Bernhards, in Dr. Krebs’ Augenwinkel. Ein kaum hörbares zischendes Knurren entweicht seinen Lungen.
“Nun gut”, lenkt er schließlich ein, “ich werde euch sagen, was Euch erwartet. Ihr werdet nach Yuggoth reisen und dort meine Konkurrenz ausschalten. Sie sabotieren meine Forschung und das muss verhindert werden..”
“Yuggoth?”, frage ich, “wie soll ich dahin kommen?”
“Euch wird sich eine Gelegenheit bieten”, meint er, “erinnert Euch an unsere Vereinbarung, wenn es soweit ist und dann tut, was getan werden muss.”
Ich überlege eine Weile. Der Yuggoth – meine Freunde, Henri-san, Senchō, Mare, der Lord, Carla-san und Mari-chan waren schon einmal dort und haben es überlebt.

“Das klingt nach einem Geschäft, auf das ich mich einlassen kann”, sage ich schließlich. Dr. Krebs ziert Bernhards Gesicht mit einem zufriedenen Grinsen.
“Das freut mich zu hören”, sagt er. In seinen Händen materialisiert sich ein bläulich schimmernder Kristall. “Hier nehmt das.”

Unsicher nehme ich den Kristall an mich. Es kann gut sein, dass ich hier dem sprichwörtlichen Tiger entfliehe, nur um in ein Rudel Wölfe zu laufen.
“Noch eine Sache”, ermahnt mich Dr. Krebs, “zu niemandem ein Wort.”
Dann zieht er sich zurück und überlässt Bernhard wieder das Spielfeld. Er lächelt, wie immer.

“Ich habe eure Unterhaltung mit angehört”, gesteht er. Der Kristall pulsiert in meinen Händen. Seine Energie beginnt mich zu durchströmen. Ich spüre eine Verbindung zu meinem Körper und das starke Verlangen, aufzuwachen.
“Ich werde die Traumlande jetzt verlassen”, erkläre ich.
“Das dachte ich mir”, antwortet Bernhard, “gute Heimreise!”
“Wir sehen uns sicherlich bald wieder”, gebe ich ihm zum Abschied mit.
“Mit Sicherheit”, bestätigt er. Dann zwinge ich mich, in der Bibliothek zu Babel zu erwachen.